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Reisebericht Everglades Challenge 2019

Florida Challenge01„Chief, do I really need the fire starting kit, I don't want to burn down the Mangrove.“ - „Yes, no discussion“, war die Antwort von Chief. Er hat das letzte Wort, denn er ist Organisator der Everglades Challenge, einer Abenteuerregatta von ca. 300 sm entlang der Küste Floridas von Tampa bis Key Largo.

Ein Bericht von Joachim "Schappi" Harpprecht.

 

Mein Race hatte eigentlich schon am 12. Februar begonnen, Flug nach Tampa mit reichlich Gepäck, darunter den 3-geteilten Mast, Gabelbaum, Beams, Segel, Trampolin und einem Schnittmuster für 3 Sperrholzplatten, um einen kleinen Kat daraus zu bauen. Ethan, Contendersegler und ehemaliger 505er-Weltmeister, fuhr mich gleich am nächsten Morgen zum Holzhändler und auf dem Rückweg wurde noch eine Gallone Epoxydharz eingekauft.

Florida Challenge06Beim Aufzeichnen der Teile fehlten plötzlich 4 cm an einer Ecke! Vorsicht, nicht gleich sägen, da ist was faul! Kleine Pause, nachdenken, war wohl der Jetlag, einfach ein Stück vertauscht, alles wieder OK. Am Ende des ersten Tages waren die ersten Schäftungen „unter Leim“ und die meisten Teile ausgesägt. Tag 2: erst die wenigen Schraubzwingen „füttern“ mit den nächsten Schäftungen, dann konnte ich mir bei einem Freund von Ethan die Leisten selbst sägen. Ich nehme gerne Dreiecksleisten, das spart viel Gewicht und vermeidet Belastungsspitzen neben den Leisten. Die Trocknungszeiten des Epoyxs bestimmten in den nächsten Tagen mein Leben. Meine Gastgeber Ethan und Trudy kümmerten sich liebevoll um mein leibliches und geistiges Wohl.

Einige Holzteile wurden mit dünnem Glasgewebe überzogen, erst dann wurden die mitgebrachten Spanten angebaut, die dritte Dimension war erreicht. Nach dem Hobeln der Schmiegen an den Eckleisten wurde zuerst die Bodenplatte angeklebt, alles rohe Holz mit Epoxy versiegelt, das Deck folgte als letztes. Anschließend wurden die Kanten rundgehobelt und weiteres Glasgewebe überlaminiert. Zur Befestigung der Kohlefaser-Beams wurden Lager aus Sperrholz aufgeklebt und 8 mm Stehbolzen eingeklebt. War ich zu geizig beim Lackkauf? Der 1-Komponenten-PU-Lack wollte trotz des teuren Härterzusatzes nur sehr langsam trocknen und war auch nach 2 Tagen noch schlecht schleifbar. – Jetzt nicht mit Problemchen aufhalten, sondern den schnellsten Weg für 3 Sperrholzplatten zur Tampa Bay finden! EinTag musste ausreichen zum Aufschrauben der Beschläge und Anpassen des Riggs und der diversen Strippen.

Florida Challenge05Stapellauf war am Mittwoch nach genau 2 Wochen Bauzeit! Dazu gab es Bier statt Schampus – Hauptsache getauft. Der kleine Kat ließ sich gut wenden, die Steckschwerter sorgten für gute Höhe am Wind und der kleine Gennaker sorgte raumschots für viel Geschwindigkeit. Meine erste Kat-Erfahrung war sehr positiv, die Beratung durch die beiden Kat-Spezialisten Eckart und Jörg hatte gewirkt.

Der Donnerstag verging mit Besorgungen wie im Flug, am Freitag mussten das Boot und die reichhaltige Sicherheitsausrüstung vom Chief abgenommen werden: Nun konnte es am Samstag losgehen. Ein Tornado und ähnlich große Kats sind inzwischen über den Horizont verschwunden, aber ich rolle langsam das Feld von hinten auf, bis endlich ein Anliegerkurs gesegelt werden kann. Bei schwächer werdendem Wind kann ich den Gennaker setzen. Leider dreht der Wind weiter auf Vorwind. Weil der Gennaker recht klein ist, sind meine Halsewinkel viel zu spitz und ich entschließe mich, Schmetterling zu fahren. Sieht furchtbar aus, der Gennaker in Luv steht sehr unruhig, aber wenigstens komme ich so in der Dunkelheit dem Stump Pass näher, der mich zum ersten Checkpoint, der Hazlewood Marina bringt. Im Fahrwasser des Intracoastal Waterways kann ich nach Tonne 9 links abbiegen, durch einen markierten Tonnenstrich gelange ich zum schmalen Einlass der Marina. Dort drücke ich zuerst den SPOT Satelliten-Tracker auf OK und trage mich ins ausgelegte Logbuch ein.

Florida Challenge04Dann bereite ich mich auf die Nacht vor: die Ausrüstung durch den engen Holt Allen Deckel zerren, neues Zelt aufbauen – das ging beim Test am Tage besser – vorher mit dem Jetboil, einem sehr effektiven kleinen Gaskocher, Wasser kochen für das gefriergetrocknete Abendessen, damit es genügend lange ziehen kann. Manche Teams legen gleich wieder ab und segeln die Nacht durch, nichts für mich Solosegler mit meinem nassen unbequemen Kat.

Am nächsten Morgen ist Nebel und Flaute, erst gegen 10 h verlasse ich den Hafen und treibe langsam durch den Intracoastal Richtung Süden, dem nächsten Durchlass, „Outlet“, zum offenen Golf von Mexiko, entgegen. Es ist Sonntag, ein Motorboot folgt dem anderen, wozu hat man eine laute Stereoanlage und 4 Außenborder mit je 300 PS? Nervig, nass, aber ich habe das Gefühl, dass ich durch die Querwellen eher beschleunigt als gebremst werde - wenigsten etwas. Der erste Outlet bei Bird Key wäre eine Kreuz gegen den Strom, einige Boote stehen dort eingeparkt, deshalb entschließe ich mich, auf dem nun seeähnlichen Intracoastal zu bleiben. Endlich Seabreeze, mit leichtem Schrick in der Schot komme ich nun gut voran.

Florida Challenge02Am Ende von Sanibel Island ist eine öffentliche Boat Ramp, dort lege ich bei Dunkelheit an um zu übernachten. In Sichtweite von 2 Polizeibooten baue ich mein Minizelt auf und im Morgengrauen wieder ab. Zu meiner Freude entdecke ich dort auch sehr ordentliche Restrooms und Frischwaser. Leider fällt mir beim Verstauen der Beutel mit den Zeltheringen ins Wasser, versinkt, aber ist in ca. 2 m Tiefe unter dem Steg gut zu erkennen. Mist, der Neo war so schön trocken geworden, keine Taucherbrille dabei, hilft nichts, Schwimmweste aus und rein. Leider brauche ich einen 2. Tauchgang und schneide mich beim Auftauchen am Steg an den scharfen Seepocken und Muscheln an den Händen und am Kopf. Sieht mit Wasser vermischt immer fies aus, ob die Haie wohl das Blut riechen können?

Unter Gennaker rausche ich mit mehr als 10 kn die Küste entlang, eine Hochhaus-Bettenburg nach der anderen, später wird der Wind spitzer, aber immer noch zwischen 6 und 8 kn, da macht Segeln Spaß! Genau auf meinem Kurs tummelt sich eine ganze Schule Delfine, können die mich ohne Motor orten? Erst kurz vor meinem Boot verschwinden sie in die Tiefe.

Nach Marco Island kommt der Gennaker wieder hoch, und ich rechne mir aus, noch am Nachmittag durch den Inselgürtel des Indian Pass nach Chokoloskee, dem 2. Checkpoint zu kommen. Warum lässt der Wind bei solchen Gedanken immer nach und dreht auf Vorwind? Kurz nach Indian Key wird es dunkel und auch der Wind legt sich zwischen den Inseln schlafen. Bei einlaufendem Wasser klemme ich den Pinnenausleger mit einem Bein fest, damit ich mit beiden Händen paddeln kann. Nur mühsam hangle ich mich entlang einiger Seezeichen mit guten Reflektoren durch die unzähligen Mangroveninseln. Endlich wieder in freiem Wasser hilft mir eine leichte Brise, den Checkpoint anzusteuern. Plötzlich lautes Geklatsche auf dem Trampolin, ein 50 cm langer Barsch zappelt auf dem Trampolin. Bursche, du störst jetzt, mit dem Fuß schubse ich ihn wieder in sein Element, und er zeichnet einen leuchtenden Strich ins Wasser, genauso wie meine beiden Rümpfe: Noctiluca, eine Alge, bringt das Meer zum Leuchten!

Ankuft ca. 23 h, High Tide 2 h, das wird eine kurze Nacht. Also schnell raus aus dem Neo, trockene Klamotten an, welche Trockenportion empfiehlt der Küchenchef heute? Eingepackt mit dicken Socken, Mütze, einem Seidentuch über dem Kopf und mit Insektenspray eingesprüht, lege ich mich auf den Betonboden und versuche, noch etwas zu schlafen, während die Moskitos und die winzigen No See'ems versuchen, doch irgendwo eine Lücke zu finden.

Florida Challenge09Bald wieder rein in den nassen Neo und raus in die Dunkelheit. Die näheren, südlichen Outlets von Chokoloskee sind gänzlich unmarkiert und haben scharfe Austernbänke, deshalb beschließe ich, wieder zum Indian Pass zu kreuzen und einige sm zu verschenken. Bei dem leichten Wind sind das einige Stunden Umweg, aber ich will kein Risiko eingehen und vertraue auf die Geschwindigkeit meines kleinen Kats.Gegen Mittag, in einer langen Flaute, bis sich die Seabreeze gegen den leichten Gradientenwind durchsetzt, versuche ich, auf dem Trampolin schlummernd, den Schlaf nachzuholen.

Später setzen 3-4 Bft bei bestem Gennakerkurs ein, immer wenn ich ein kleines Segel am Horizont entdecke, ist es auch bald schon hinter mir. Auch der Kat von Crazy Russian mit seinen aufblasbaren Schwimmern verschwindet bald wieder am Horizont. Die angekündigte Kaltfront macht sich nun mehr und mehr bemerkbar. Ab dem Cape Sable, an der Südspitze von Florida, wird es zu viel Druck für den Gennaker, aber auch mit weniger Segel noch reichlich Druck, um den 3. Checkpoint Flamingo kurz nach 18 h zu erreichen. Schnell duschen, der kleine Shop hat noch geöffnet, Junkfood kaufen und in die Mikrowelle stellen, endlich mal ein Burger! Man wird auf so einer Tour recht bescheiden...

Die Coast Guard hatte inzwischen eine Windwarnung herausgegeben, die Moskitos waren weggepustet, und kein Teilnehmer versuchte bei diesem Wind, das extrem flache Gewässer der Florida-Bucht nachts zu überqueren. Nachts wird es dann aber empfindlich kalt. Zum Ziel noch ca. 35 sm, ohne rechtes Frühstück und etwas übereilt, da Crazy Russian schon los ist, reiße ich mir leider beim Einbinden des 1. Reffs das Großsegel etwas kaputt. Ein Hinweis von oben, dass ich doch lieber das 2. Reff nehmen sollte? Der starke Wind hatte inzwischen viel Wasser aus der Florida-Bucht gedrückt, sogar in der Fahrrinne zum Hafen war nur noch 1 Fuß Tiefe, einige Teilnehmer sitzen schon fest. Ohne Schwerter und mit hochgeklappten Rudern lässt sich der kastenförmige Kat aber noch einigermaßen steuern. Der Wind hat inzwischen von N auf beinahe NO gedreht, so dass ich in den markierten Channels in Ostrichtung oft die Höhe nicht halten kann. Vielleicht doch eine Handbreit mehr Schwert? Nein, erst recht eingebremst, das Schwert hatte sich schon vorher durch den Schlick gekämpft, nun sitze ich fest. Runter vom Boot, ab in den weichen Schlick: Boot aus dem Schlick zerren, drehen und versuchen, wieder in etwas tieferes Wasser zu kommen, dann wie wild paddeln, um den Kat ohne rechte Ruderwirkung um die Wende zu bekommen. Im flachen Wasser schwimmt neben meinem Boot plötzlich ein großer Hai, später klatscht ein beinahe 2 m langer schlanker Fisch auf mein Trampolin und verschwindet wieder über den Leerumpf.

Florida Challenge10Nach diversen Wattwanderungen – der Schlick soll ja gut gegen Rheuma sein – erreiche ich endlich wieder tieferes Wasser, bald kann ich sogar die Ruder wieder voll nach unten fahren und ausreffen. Schönes Am-Wind-Segeln auf dem Leeschwimmer, leider übersehe ich vor lauter Segelspaß eine Tonne vom Intracoastal und muss mich in einer Bucht erst mal mit der Seekarte neu orientieren, da etwas Feuchtigkeit in die Schutzhülle meines Smartphones eingedrungen war und es sich nicht mehr entsperren lässt. Meine Fans, die mich über den SPOT GPS-Tracker verfolgen, befürchten schon, dass etwas gebrochen sein könnte, weil ich nicht mehr aufkreuze. Nach einer kurzen Verschnaufpause in Rock Harbour – meine Schwerter können davon erzählen – kreuze ich die letzten 5 sm zur Pelican Cove auf Key Largo und werde dort im Ziel wie jeder Teilnehmer mit viel Hallo und lautem Geklatsche empfangen. Geschafft!

Kurzes Resümee: 2 Wochen Vorbereitung zu Hause, 2 Wochen Boot bauen, 5 Tage segeln. Keine außergewöhnlichen Ereignisse, von Flaute bis 2. Reff alles dabei, 2. in der Gruppe Multihulls solo, höchste Geschwindigkeit laut GPS 16 kn, faszinierende Tierwelt, wunderbare Sternenhimmel, verrückte, supernette Mitstreiter und herzliche amerikanische Gastfreundschaft. Wenn ich jetzt noch eine Unterstellmöglichkeit für den demontierten Kat in Tampa finden würde, dann hätte ich sogar für das nächste Jahr schon ein Boot, das würde alles einfacher machen...

 

Florida, Reisebericht, Everglades

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